Menschenrechtsverletzungen bei den Schwächsten
(persönlicher Erfahrungsbericht)
Stellen Sie sich vor, Sie werden vom Staat gezwungen, von nun an mit einer Augenbinde durch den Alltag zu gehen. Was würde Sie am meisten bestürzen? Dass Sie Ihre Liebsten, Bekannten und Freunde auf der Strasse nicht mehr erkennen?
Genau so ging es mir! Als Betroffene einer starken Seheinschränkung orientiere ich mich vor allem auditiv und erkenne so unter anderem Menschen an ihrer Stimme. Doch durch die Maske wird diese so stark verändert, dass es ein Erkennen unmöglich macht.
Doch das ist nur ein Beispiel. Wie ging es Epileptikern, die durch das Maskentragen das Risiko eines Anfalls eingegangen sind? Gehörlosen, denen durch das weitflächige Abdecken des Gesichts ein wichtiges Kommunikationsmittel verwehrt wurde, das Lippenlesen? Autisten, die keine Maske tragen konnten und ungeachtet ihrer Maskendispens diskriminiert wurden (Autistic Minority International: UNO -> Maskenpflicht diskriminierend. 16. April 2022) ?
Die Schweiz hat 2014 die UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Zum ersten Mal seit diesem Zeitpunkt wurde nun im März 2022 die Schweiz von einem UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen bezüglich der Umsetzung dieser Konvention evaluiert und ein Bericht veröffentlicht (United Nations, Commitee on the Rights of Persons with Disabilities: Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD/C/CHE/CO/1). Advance Unedited Version, 25. March 2022 ) .
Anmerkung: Auftragsgemäss setzt sich dieser Bericht mit der Situation von Menschen mit Behinderungen auseinander. Nichtsdestotrotz gelten die unmissverständlichen Schlüsse hinsichtlich Menschen mit Dispensen selbstverständlich für alle Betroffenen!
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen als Frau mit Behinderung (zu der starken Seheinschränkung auch AspergerSyndrom) in der Schweiz wundere ich mich keinesfalls, dass im Bericht zu lesen ist, dass die Schweiz in mancherlei Hinsicht die Rechte von Menschen mit Behinderungen verletze. Dieses Fazit geht eindeutig aus dem Bericht hervor. Unter anderem werden Menschen in der Schweiz durch die Behörden zu wenig vor Diskriminierung geschützt.
So zeigt sich der UNO-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr besorgt über “das Fehlen einer proaktiven Antwort auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf COVID-19, einschliesslich mangelnder Informationen für die Öffentlichkeit, die Verkehrsbetriebe und die Medien über Ausnahmen von der Maskenpflicht, was in einer ständigen Verunglimpfung autistischer Personen mit Maskendispens resultierte”.
Insbesondere wird hier auch kritisiert, dass “Informationen zu Pandemie-Massnahmen, einschliesslich Ausnahmen von der Maskenpflicht, der Öffentlichkeit, den zuständigen Behörden und Unternehmen und den Medien” kaum bekannt gemacht wurden.
Menschen, die über verschiedenste begründete Maskendispense verfügen, wurde in einer von mir persönlich nie erlebten Art und Weise diffamiert und ausgegrenzt. Denunziantentum wurde gefördert – wie heisst es doch treffend: “Der grösste Lump im eigenen Land ist und bleibt der Denunziant” (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Dichter und Philologe, 19.Jh.). In einer unglaublichen Art und Weise haben Menschen mit Dispensen Ausgrenzung und Diskriminierung im medizinischen Sektor erlebt, wo doch klarerweise in der Medizin absolut individuelle Entscheidungen getroffen werden müssen.
Eine Aufarbeitung der ganzen wirklich nur als tragisch zu bezeichnenden Situation ist dringend von einer unabhängigen Kommission sicherzustellen. Dies bedingt jedoch zwingend eine ausserparlamentarische Untersuchung, welche Aufrecht Schweiz fordert.
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