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SRF 10 vor 10, Lobbyland Schweiz, 1. September 2023

10 vor 10, SRF 1, 1. September 2023

Im Fokus: Das Lobbying in Bundesbern

Die Räte sind voll von Interessenvertreterinnen und -vertretern.

Wie funktioniert das System und warum haben es Vorhaben für mehr Transparenz unter der Bundeshauskuppel so schwer? Wir fragen nach.  

Die Tür zum Nationalratssaal im Bundeshaus. Sie lässt Einblicke zu ist, aber nicht vollständig transparent. Irgendwie sinnbildlich, wenn man ans Thema Lobbying unter der Kuppel denkt. Vom gläsernen Parlamentsmitglied ist die Schweiz noch weit entfernt.

Zwar müssen dieses Jahr Parteien und Kandidierende erstmals offenlegen, woher das Geld für ihren Wahlkampf stammt. Doch Schritte zu mehr Transparenz – etwa bei Nebeneinkünften und Interessenskonflikten – sind in der laufenden Legislatur mehrfach gescheitert.

Curdin Vincenz:

Die ParlamentarierInnen und Parlamentarier vertreten das Volk, haben aber auch eine Vielzahl von Interessenbindungen, sitzen in Verwaltungsräten Verbänden und Vereinen. Diese Mandate werden im Internet veröffentlicht. Weitere Regeln gibt es aber keine. Kritisiert wird die Macht der Lobbys in den Parlamentskommissionen. Mehr als die Hälfte der Gesundheitspolitiker etwa hat ein Mandat im Gesundheitswesen und in der Verkehrskommission haben sogar zwei Drittel Mandate in diesem Bereich.

Beat Rieder, Ständerat Mitte, wollte daran etwas ändern. Sein Vorschlag: Keine neuen Ämter in jenen Bereichen, auf die man sich politisch konzentriert. Wer in der Gesundheitskommission sitzt dürfe also kein neues lukratives Krankenkassen Mandat annehmen.

Beat Rieder: Das Grundprinzip des demokratischen Rechtsstaates ist die Weisungsungebundenheit des Parlamentariers. Das heisst, er darf nicht als Interessenvertreter, als Lobbyist im Parlament agieren. Er ist vom Volk gewählt.

Kommentator: Besonders im Auge hatte Rieder die fürstlich bezahlten Ämter auf 50’000 Franken aufwärts.

Beat Rieder:  Oft ist das Entgelt dieser Mandate grösser als das Entgelt, das der Politiker sonst verdient. Spätestens da hört es dann auf mit dem unabhängigen, weisungsungebundenen Parlamentarier und das hätte man vermeiden können sollen .

Kommentator: Aber es bleibt beim Versuch, der Ständerat beerdigte die Idee – «schwierig umzusetzen, rechtlich problematisch».

Mitte und FDP, die im Ständerat eine Mehrheit haben sind auch jene Parteien mit den meisten bezahlten Mandaten. Erst an dritter Stelle folgt die stärkste Partei – die SVP, vor der SP.

Parteien_und_bezahlte_Mandate

Auch Nationalrätin, Nadine Masshardt, SP will   mehr Regeln.  Nicht nur die Mandate sollen offengelegt werden müssen, sondern auch die Höhe der Entschädigung pro Mandat. Das sei wichtig.

Nadine Masshardt: Nehmen wir das Beispiel einer Krankenkassen Prämienverbilligung, die in der Gesundheitskommission behandelt wird. Da sitzen sehr viele Vertreterinnen und Vertreter, die gleichzeitig ein Mandat bei einer Krankenkasse haben, die für ein solches Mandat zum Teil mehr bekommen als die Entschädigung als Parlamentsmitglied. Das ist störend. Da sollte ganz klar sein, wieviel Geld fliesst und für welches Mandat. Damit man auch besser nachvollziehen kann, wie ein Entscheid zustande kommt.

Kommentator: Dieser Vorschlag der SP-Fraktion, auch er scheiterte im Nationalrat im Dezember 2022. Allerdings knapper als auch schon.

Nadine Masshardt: Es waren nur noch etwa 10 Stimmen unterschied. Ich bin überzeugt, wenn das Parlament weiter gestärkt wird im Bestreben für mehr Transparenz – auch nach den Wahlen – dann werden wir hier eine Mehrheit haben.

Kommentator: Kurt Fluri, Nationalrat FDP, wird dann sicher nicht mehr dabei sein.  Fluri sagt, er könne die ganze Diskussion nicht nachvollziehen. Das Schweizer Parlament sei eben kein Berufsparlament. Darum sei es gewünscht, dass alle Ihre Erfahrungen ausserhalb des Bundeshauses einbringen.  

 

Kurt Fluri: Für mich ist das nicht Macht im negativen Sinn, die tendenziell missbraucht wird, sondern das ist das Einbringen von Erfahrungen und Kompetenzen.  

Kommentator: Darum hält er auch nichts davon, dass man die Honorare preisgeben muss, auch wenn er selbst das freiwillig macht. Er sagt zum Vorschlag, das gewisse Mandate je nach Kommission verboten würden.

Kurt Fluri: Schnapsidee. Also ich kenne niemanden im Parlament, der seine Meinung verdreht, weil er von einem Unternehmen bezahlt wird. Diese vertreten die Interessen, weil sie davon überzeugt sind. Das ist in der Regel auch deckungsgleich mit der politischen Ausrichtung.

Kommentator: Die Parlamentsmitglieder, ihre Interessenbindungen, ihre Nebeneinkünfte: Sie bleiben im Schweizer Milizsystem ein Dauerthema. Ob sich nach den Wahlen das neue Parlament freiwillig strengere Regeln gibt?

Mandatssponsoren

Urs Gredig: Lobbyismus im Parlament, ein spannendes Thema, recherchiert von unserem Bundeshaus Korrespondenten, Curdin Vincenz, er sitzt jetzt bei mir im Studio.  Guten Abend Curdin. Jetzt könnte man ja sagen, die Schweiz kennt das Milizsystem, da ist es doch ganz normal, dass gewisse Interessensverbindungen einfach dazugehören von Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Curdin Vincenz: Ja, so war das ganz sicher auch ursprünglich gedacht. Der Berufsmann, die Berufsfrau, die nebenbei noch ins Parlament geht und da Politik macht. Nur, die Realität ist unterdessen etwas eine andere. Das Politisieren ist aufwendiger geworden. Heute sagt man ein Nationalratsmandat, das ist etwa ein Arbeitspensum von 80%. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit für anderes. Die Mandate sind trotzdem geblieben – ganz einfach, weil es natürlich für einen Verband attraktiv ist, sei es jetzt ein Umweltverband oder ein Wirtschaftsverband den Direktor den Präsidenten direkt im Parlament sitzen zu haben.

Urs Gredig: Dagegen gibt es jetzt auch kritische Stimmen, wie wir auch im Beitrag gehört haben. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass das System eine Änderung erfährt?

Curdin Vincenz: Also, dass es ein Berufsparlament gibt, wo solche Verquickungen nicht mehr möglich wären, das ist sehr unwahrscheinlich. Dieser Milizgedanke, die Idee, dass ein Milizparlament etwas Gutes ist, ist weit verbreitet und heute noch breit akzeptiert. Da hat kürzlich eine Umfrage der SRG gezeigt, dass 70% ja sagen zum Milizparlament. Gleichzeitig sagen aber 80% in derselben Umfrage, Lobbys haben einen zu grossen Einfluss auf die Politik. Das heisst also, es gibt ja schon in der Bevölkerung ein gewisses Unbehagen, man wünscht sich hier etwas mehr Transparenz was diese Verquickungen und auch die Geldflüsse anbelangt.  Aber eben, wenn es um mehr Transparenz geht, dann ist das Parlament zurückhaltend.

 

Urs Gredig:  Zum Thema Transparenz, Sie haben in ihrer Recherche ja auch andere Länder untersucht. Was würden Sie sagen, wie schneidet die Schweiz da ab, ist die Schweiz weniger transparent, wenn es ums Lobbying geht?

Curdin Vincenz: Das ist sie im internationalen Vergleich, immer noch muss man sagen. Wir haben gehört, es gibt jetzt diese Regelung bei der Wahlkampffinanzierung, da ist man einen Schritt weiter jetzt gegangen auf dieses Jahr hin, aber sonst ist die Schweiz immer noch weniger transparent gerade auch bei den Lobbyisten und Lobbyistinnen, die im Parlament unterwegs sind, die mit den Parlamentariern interagieren, die mit der Verwaltung interagieren. Hier gibt es in der Schweiz keine klaren Spielregeln, wer darf das, was muss man dafür Voraussetzungen erfüllen und es gibt auch kein Register wie in anderen Staaten, wo man schauen kann, wer hat wann welchen Politiker getroffen, worüber haben die geredet, über welches Gesetz haben Sie geredet, wo wurde Einfluss genommen. Wenn man das in der Schweiz herausfinden will, dann muss man das sehr aufwendig tun. Wir haben das für unseren Podcast in zwei Fällen gemacht.

Urs Gredig: Vielen Dank für den Besuch im Studio, Curdin Vincenz.

Ja, wie funktioniert Lobbyieren in der Schweiz, bei wem wird lobbyiert und wie? Das zeigt, wie eben gehört auch der SRF Podcast “Lobbyland”, zu finden auf srf.ch Schrägstrich Audio im Kanal News plus –  Hintergründe und in gängigen Podcast Apps.